„Kriegslicht“ (engl. „Warlight“) war der offizielle Name für das gedämpfte Licht, das im Zweiten Weltkrieg während der deutschen Blitzangriffe auf London für den Notfallverkehr eingerichtet wurde. Warlight, der achtte Roman von Michael Ondaatje, ist die Geschichte eines 28-jährigen Mannes, der versucht, sein bisheriges Leben zu recherchieren, um zu verstehen, weshhalb er zu demjenigen geworden ist, der er ist. Da gibt es viele Ungereimtheiten und Geheimnisse, die einer Klärung bedürfen. Im Klappentext heißt es:

Nach Kriegsende wird der vierzehnjährige Nathaniel mit seiner Schwester Rachel von den Eltern in London zurückgelassen. Der geheimnisvolle „Falter“, der sie in Obhut genommen hat, und dessen exzentrische Freunde kümmern sich fürsorglich um sie. Wer aber sind diese Menschen wirklich? Und was hat es zu bedeuten, dass die Mutter nach langem Schweigen aus dem Nichts wieder zurückkehrt? „Meine Sünden sind vielfältig“, wiederholt sie, mehr gibt sie nicht preis. Als er erwachsen ist, beginnt Nathaniel die geheime Vergangenheit seiner Mutter als Spionin im Kalten Krieg aufzuspüren.


Michael Ondaatje, Warlight
Leseprobe

 

Zum Autor

Michael Ondaatje ist ein in Sri Lanka geborener kanadischer Schriftsteller. 1954 zog er mit seiner Mutter nach England und 1962 nach Kanada, wo er später die kanadische Staatsbürgerschaft annahm. Er wurde weltberühmt mit seinen Roman Der englische Patient (Hanser, 1993) , für den er den Man Booker Prize und zum 50-jährigen Jubiläum des Preises im Jahr 2018 den Golden Man Booker Prize erhielt.

Die Story

Der Roman beginnt kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs in London. Eines Morgens werden die Geschwister, der 14-jährige Nathaniel und seine 16-jährige Schwester Rachel von ihren Eltern informiert, dass der Vater für ein Jahr einen Job in Singapur als Repräsentant von Unilever angenommen hat. Die Mutter würde später nachkommen. Nathaniel und Rachel sollten aber in London bleiben, um weiter auf die Schule zu gehen. Sie würden jedoch während dieser Zeit von einem Freund der Familie betreut, der als Untermieter eingezogen war. Nathaniel und seine Schwester nannten ihn später den „Falter“ (engl. „The Moth“). Er hatte, wie sich herausstellte, einen großen Bekanntenkreis. Die Eingangszeile lautet: „1945 sind unsere Eltern weggegangen und haben uns in der Obhut zweier Männer gelassen, die möglicherweise Kriminelle waren.“

Die Kinder richten sich mit ihrem Betreuer ein, der gelegentlich für sie in die Bresche springt, so beispielsweise, als Nathaniel droht, wegen unerlaubten Urinierens vom Internat ausgeschlossen zu werden.

Der zweite Teil des Romans spielt in Suffolk, eine nordöstlich von London an der englischen Ostküste gelegene Grafschaft. Nathaniel, zwischenzeitlich 28 Jahre alt, hat die Stelle eines Historiker beim britischen Geheimdienst angenommen. Er kauft ein Anwesen von einer Linette Malakite, die – wie sich herausstellte – zuvor mit einem Sam Malakite verheiratet war. Zwischenzeitlich ist die Mutter wieder aufgetaucht. Sie ist jedoch ebenso verschlossen und kryptisch in ihren Äußerungen wie eh und je.

Charaktere

Nathaniel
Der Ich-Erzähler des Romans. Er versucht, sein bisheriges Leben zu rekonstruieren, um zu verstehen, weshalb er zu demjenigen geworden ist, der er ist.

Rachel
etwas älter als ihr Bruder. Später verläuft sich ihre Spur. Sie hatte offenbar eine Schauspielkarriere begonnen.

Rose
Nathaniels und Rachels Mutter. Sie hatte den Kindern gegenüber vorgegeben, ihrem Ehemann nach Singapore zu folgen, was sich jedoch im Nachhinein als Unwahrheit herausstellt. Sie verschwindet, taucht jedoch im zweiten Teil der Geschichte quasi aus dem Nichts wieder auf.

„Der Falter“
Er ist der Untermieter, den Nathaniels und Rachels Eltern engagiert hatten, um sich in ihrer Abwesenheit um die Kinder zu kümmern. Sie gaben ihm den Spitznamen „der Falter“ (engl. The Moth). Der „Falter“ hat viele undurchsichtige Bekannte.

Pimlico Darter
Ein zwielichtiger Charakter, ehemals bekannt für seine Boxkünste und als „das beste Weltergewicht nördlich des Flusses“ gefeiert. Sein bürgerlicher Name ist Norman Marshall. Er wurde zum Schmuggler. Auf einem Flusskahn transportiert er aus Frankreich stammende illegale Frachten, u.a. Windhunde (Greyhounds), weil er sich von den Wetten einen erheblichen Verdienst erhoffte.

Olive Lawrence
eine Ethnographin und eine von Darters weiblichen Bekannten. Nathaniel lernt sie kennen, als er als Historiker für den britischen Geheimdienst arbeitet.

Selbstfindung als Thema

Nathaniel, der Erzähler, hat zunächst nur eine Fülle von verstreuten Fragmenten vor sich. Nach und nach fügen sie sich jedoch zu einem Mosaik zusammen. Dabei spielt das Zusammenwirken von Realität, Erinnerung und Imagination eine entscheidende Rolle. Hinderlich sind dabei die vielen Geheimnisse, die nicht aufgeklärt werden.

Fazit

Warlight ist kein Roman über Krieg und Spionage. Es geht um Unsicherheiten, Geheimnisse und Zweifel, die dem Erzähler beim Versuch, seine eigene Entwicklungsgeschichte aus den ihm verfügbaren Daten zu erklären, zu schaffen machen. Das macht den Roman auch jenseits des historischen Kontextes lesenwert.

Literatur

Warlight (Wikipedia)

Andrew MotionWarlight“ by Michael Ondaatje review – a novel shrouded in secrecy. The Guardian (16 Jun 2018)

Anna Mundow. „‘Warlight’ is a quiet new masterpiece from Michael Ondaatje.“ The Washington Post (2 May 2018)

Preston, Alex. „Warlight by Michael Ondaatje review – magic from a past master“. The Guardian (5 Jun 2018).

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