Zum Titelblatt: Ein Zwillingsalligator, dessen Köpfe sich ineinander verhaken. Dahinter, transparent, der Titel: die beiden Komponenten im Abstand zueinander. Jennifer Clements Leidenschaft gilt der Poesie: „Es war eine Herausforderung für mich, mit Poesie über Waffen zu reden“, Heißt in wesentlichen: Die emotionale Dimension der Geschichte wird durch ausdrucksstarke Bilder vermittelt. 

Zur Story

Es geht um eine Mutter-Tochter Beziehung, aus der Perspektive eines scharfsichtigen Teenagers erzählt. Die Mutter – Margot, benannt nach Margot Fonteyn, einer berühmten britschen Baletttänzerin – wuchs in einer Wohlstandsfamilie auf. Ihr Zuhause war eine weitläufige Villa mit Veranda, Swimmingpool und fünf Badezimmern. Sie hatte Angestellte und ein Spielzimmer mit all ihren Spielsachen, konnte Klavier spielen und Französisch zu sprechen: Zweimal pro Woche gab ihr ein Französischlehrer Privatunterricht.  Zu ihrem siebten Geburtstag schenkte man ihr ein Shetlandpony. 

Jennifer Clement,  Gun Love (2018)
Leseprobe

Mit siebzehn brachte sie – unbeachtet von ihrer Familie – ein kleines Mädchen zur Welt, das sie Pearl nannte, weil ihre Haut hell und durchsichtig war. Wenige Wochen nach der Geburt packte Margot die kleine Pearl in ihren 94er Mercury, den sie zu ihrem 16ten Geburtstag bekommen hatte, und fuhr mit ihr nach Zentralflorida, entschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Die Fahrt endete auf einem Besucherparkplatz des Indian Waters Trailer Park. Aus den zunächst geplanten Wochen wurden Jahre. Die beiden richteten sich ein. Pearl hatte ihren Bereich auf dem Vordersitz des Mercury, ihre Mutter auf der Hinterbank. Trotz Schwierigkeiten arrangierten sie sich. Sie freundeten sich vorsichtig mit den Eigentümern der anderen Wohnwagen an und gingen ansonsten ihren Beschäftigungen nach. Margot arbeitete tagsüber als Reinigungskraft in einem Veteranenkrankenhaus, Pearl ging tagsüber zur Schule. Die innige Verbindung zwischen Mutter und Tochter hielt bis sich die Margot in Eli Redmont verliebte. Er war im Zuge einer Aktion (‘Guns for God’) des Geistlichen Pastor Rex, einer der Trailer-Eigentümer, nach Florida gekommen. Eli besuchte Margot regelmäßig und schenkte ihr eine eigene Waffe, die fortan ihren Platz unter dem Fahrersitz fand. Er drängte Pearl, sich eine neue Bleibe zu suchen.

Zur Autorin

Jennifer Clement, geb. 1960 in Greenwich (Connecticut), ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die in Mexiko lebt und arbeitet. Bekannt wurde sie u.a. durch Gebete für die Vermissten (Prayers for the Stolen, Penguin Random House/Hogarth 2014), wo sie über Frauen schrieb, die von Gewalt durch Drogenhandel betroffen waren. Die Protagonistin des Buches, Ladydi Garcia Martínez, wächst in der Nähe von Acapulco in einem Dorf auf, in der Drogenhandel herrscht und junge Frauen gestohlen und als Sexsklavinnen verkauft werden.

Als Jennifer Clement Gun Love schrieb, war sie Präsidentin von PEN International. 

Themen

Die Mutter-Tochter-Idylle

Margot ist allein erziehende Mutter. Der Vater des Kindes war nie ein Thema. Sie suchte ein inniges Verhältnis zu ihrer Tochter. In Florida angekommen und nach vierzehn Jahren immer noch da, was ursprünglich nur ein Transit werden sollte, hatten beide hatten ihre Träume. Pearl träumte nicht von einem Haus. Ein solcher Traum war ihr zu groß. Sie träumte von Möbeln, stellte sich vor, einen Stuhl und einen Tisch zu haben. Die innige Mutter-Tochterbeziehung glückte auch eine Weile, bis ein Mann auftauchte und Pearl nahelegte, sich eine andere Bleibe zu suchen.

Wie ein Schuh am falschen Fuß

Florida war keiner der spektakulären Orte, die weltweit bekannt sind. Vieles lief quer. Margot führte es auf die Vergangenheit zurück: Dieser Teil im Norden Floridas gehörte ursprünglich den Ureinwohnern, den Timucua. Für sie war es heiliger Grund.

Rufen Sie nicht die Polizei. Kaufen Sie sich eine Waffe

Eines Tages wird am See ein siamesicher Zwillingsalligator gefunden, kaum dem Ei entschlüpft, für die Bewohner des Trailer Parks ein Indiz dafür, dass vieles schief läuft. Selbsternannte Ordnungshüter erschießen ihn. Für die Bewohner des Trailer Parks sind Schusswaffen Garanten ihrer Integrität. Ihr Staatsbegriff geht nicht von einer fürsorglichen Macht aus, sondern von einem Ungeheuer, das in Schach gehalten werden muss.

Fazit

Das Ende ist offen, viele Fragen bleiben ungeklärt. Aber das ist vielleicht der Sinn des Romans.

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