Zum Fall

GymnasiastInnen des Randolph County im Bundesstaat North Carolina können sich wieder Ralph Ellisons Klassiker The Invisible Man, ein Roman über Entfremdung und Rassendiskriminierung aus dem Jahr 1952, bei ihrer Schulbibliothek  ausleihen. Neun Tage, nachdem die Bezirksschulleitung das Buch aufgrund eines Votum von 5:2 Stimmen entschieden hatte, das Buch für Schulbüchereien zu verbieten, wurde nach einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung der Bescheid mit 6:1 Stimmen zurückgenommen;  dies auch und besonders auf Druck der Öffentlichkeit. Mehrere Vorstandsmitglieder entschuldigten sich für das Verbot und sagten, dies sei einigen wütenden Einwänden von Eltern geschuldet.

Hintergrund

Die Entscheidung für ein Verbot fiel, nachdem sich die Mutter eines Randleman Schülers beschwert hatte. Für sie sei das Buch „zu viel für Jugendliche.“ Sie bezog sich dabei speziell auf die Sprache und sexuelle Inhalte, nannte Begriffe wie „filthy“ (schmutzig) etc.  Einsame  Gegenstimme der Revision war die des Vorstandsmitglieds Gary Mason. Er sagte – frei paraphrasiert – dass er seit der entscheidenden Vorstandssitzung am 16. September das Buch noch einmal ganz gelesen habe und an seiner ursprünglichen Meinung festhielte;  heißt, dass The Invisible Man nicht für Kinder oder Jugendliche geeignet sei. Er empfände die ursprüngliche Beschwerde der Eltern auch weiterhin für legitim und stände zu dem, was sie fühlten.

Es gab viele, vor allem kritische, Kommentare. So begrüßte die American Civil Liberties Union of North Carolina  die Revision. Wie der juristische Direktor Chris Brook sagte, die Freiheit zu lesen sei genauso wichtig für eine gesunde Demokratie wie die Freiheit der Rede und alle anderen Rechte, die die US-Verfassung schütze.

Der Vintage-Verlag, der Ellisons The Invisible Man vertreibt, startete eine Gegenoffensive: In umliegenden Büchereien wurden Exemplare des Buches kostenfrei an interessierte LeserInnen abgegeben. Die Wartelisten waren hoch. Dies, und andere Aktionen, führten dazu, dass die Schulleitung sich veranlasst fühlte, ihr Urteil zu überdenken und zu revidieren.

Zur Frage um den „literarischen Wert“  eines Werkes

Seitdem haben sich viele die Frage gestellt, was denn den literarischen Wert eines literarischen Werkes ausmache. Das Kriterium des „literary merit/value “ tauchte in der Kontroverse auf. Auch Laura Miller hat sich diese Frage gestellt und eine Antwort gefunden, die überzeugt. Sie geht dabei u.a. historisch auf die Howl-Kontroverse zurück. Damals, Ende der Fifties, gab es einen vor Gericht ausgetragenen Streit um den Lyrikband von Allen Ginsbergs Howl, der in konservativen Kreisen als „obzön“ befunden wurde. Im Zuge der Verteidigung kamen Kriterien ins Spiel, die seitdem Bedeutung haben. Zwei Kriterien scheinen von besonderer Wichtigkeit:  Zum einen „The Standing Power“: Meint, je länger eine literarische Arbeit über Zeiten hinaus Präsenz im öffentlichen Bewusstsein hat, umso stärker ist, wenn sie handwerklich gut gemacht ist, ihr  literarischer Wert. Das zweite Kriterium:  Authentizität. Die AutorInnen müssen glaubwürdig rüberkommen. Man muss ihnen als LeserIn ihr Anliegen abnehmen können. Man muss das nicht alles mit Blick auf Ralph Ellisons The Invisible Man im einzelnen durchdeklinieren, um festzustellen, dass The Invisible Man diesen Kriterien genügt.

 

Was wäre die Folge, wenn die Freiheit zu lesen  – auch und besonders  für 11-KlässlerInnen – durch das Votum von Kultusbürokraten eingeschränkt würde?

David Gilmour ist ein kanadischer Literaturprofessor, der für einen wichtigen Literaturpreis Kanadas vorgeschlagen wurde. Er zog Kritik auf sich,  als er im Random House Hazlitt Blog sagte, für ihn sei Virginia Woolf die  einzige Schriftstellerin, die ihn interessiere, so dass er auch einige ihrer Kurzgeschichten lehre.  Und weiter: Als er sich für seinen Job beworben hätte, habe er unmißverständlich klagemacht, dass er nur das an Literatur lehren könne, wohinter er stände, das, was er liebe. Was er lehre, seien „Jungs, ernsthaft: heterosexuelle Jungs. F. Scott Fitzgerald, Tschechow, Tolstoi. Echte Kerl-Jungs. Henry Miller, Philip Roth. Da es auf Twitter und anderen Scocial Media zu massiven Protesten kam, räumte er nachträglich ein, dass es wohl tossed-off -Bemerkungen waren, der Spezifik des Interviews geschuldet.

Wenn man in New York ist:  Das Ralph Ellison Memorial

Es gibt in New York ein Ellison-Memorial.  Die Jury entschied sich damals für einen Entwurf von Elizabeth Catlett. Die The Invisible Man Skulptur ist 5 Meter hoch, 7 ½ Fuß breit, und hat eine sechs Zoll dicke Platte aus Bronze mit dem Ausschnitt der Silhouette eines Mannes, der läuft.

Visitors Information: Wer sich bei Google Maps vorab informieren möchte: Hier die Adresse: Riverside Park/Drive, 150th Street, New York, NY 10031,

 

 

 

 

 

 

 

 

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