1.
Das Afrikabild “in unseren Köpfen”

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Historische Afrikakarte (1802)
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Afrika ist ein großer und potentiell reicher Kontinent. Gleichzeitig herrscht große Armut, was paradox ist im Vergleich zum Ressourcenreichtum, der extrem jungen Erwerbsbevölkerung und einem hohen prognostizierten Wirtschaftswachstum. Dennoch prägen andere Bilder und Erzählungen unsere Wahrnehmung von Afrika. Wir denken an Krieg, Missbrauch von Frauen, Vergewaltigung, Kindersoldaten, Massaker, Genozid und Gräueltaten, das ganze Spektrum der Katastrophenberichterstattung.

Afrika lässt sich nur konkret in den Blick nehmen. Es ist ein großer Kontinent, Heimat von 54 Ländern (2014), Hunderten von Volksgruppen und mehr als 3000 Sprachen und Dialekten. Um sich die geographischen Relationen klar zu machen: Hier der Link zu einer Grafik, die europäische, amerikanische und asiatische Länder puzzlemäßig auf die Fläche Afrikas  projiziert. 

Viele der afrikanischen Staaten „verdanken“ ihre nationalstaatliche Existenz der Willkür externer Kolonialmächte des frühen 20. Jahrhunderts,  die  im Zuge des sog. “Wettlaufs um Afrika” (The Scramble of Africa)  beschlossen, Afrika unter sich aufzuteilen. Manche haben sich heute ein Stückweit von der kolonialen Vergangenheit erholt. Andere kämpfen aber immer noch. 

Alle versuchen jedoch den Anschluss an die Höhe der Zeit zu finden. [1]  Zeit, das Afrikabild in unseren Köpfen zu überdenken.

2.
Rohstoffreichtum, “Ressourcenfluch” und Verteilungsprobleme

RessourcenfluchHands on Diamonds
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Afrika ist mit Rohstoffen ausgestattet, die – wenn sie von AfrikanerInnen selbst verwaltet und sozial verteilt wären – allen, BewohnerInnen Afrikas ein Leben in ökonomischer, sozialer und kultureller Selbstbestimmung garantieren könnten. [2]     Wenn es da nicht den “Ressourcenfluch” (resource curse) gäbe. Es ist nur eine Hypothese. Aber sie klingt überzeugend.  [3]  Was ist dran? 

Zu den Prämissen: Afrika war zu unterschiedlichen Zeiten seiner Geschichte – und ist es immer noch –  Gegenstand kontinentsexterner Begehrlichkeiten, wobei der Rohstoffreichtum eine wesentliche Rolle spielte.  Joseph Conrad,  polnischer Autor, der seine Arbeiten in englischer Sprache publizierte, hat diese Situation bereits 1902 in seinem Roman The Heart of Darkness am Beispiel des Kongo literarisch verarbeitet. 

Protagonist des Conradschen Romans ist ein gewisser Marlow, Kapitän der Riverboat Company, die einem belgischen Konzern gehört. Es geht darum, Handelbeziehungen zum Kongo aufzubauen. Conrad selbst hatte als Kapitän eines Flussdampfer an den Stanley-Fällen im Kongo gearbeitet. Als Marlow, Conrads Protagonist, im Kongo eintrifft, ist er von der Ineffizienz in den Siedlungen des Konzerns und die Brutalität, die da zu herrschen schienen, schockiert. Die afrikanischen BewohnerInnen waren in den Dienst der Gesellschaft gezwungen worden. Sie hatten extrem lange Arbeitszeiten zu bewältigen und waren zudem grausamen Behandlungen vonseiten der Repräsentanten des Konzerns ausgesetzt. Bei Conrad werden die Zustände in den Siedlungen des “weißen Mannes” kontrastiert mit dem majestätischen Dschungel, der diese Siedlungen umgibt. Sie sind wie kleine Inseln inmitten einer riesigen Dunkelheit.

Die  “Ressourcenfluch”-Hypothese bezieht sich auf das Zusammenspiel zwischen den Regierungen der betroffenen Staaten und den Begehrlichkeiten externer Akteure. Zahlreiche rohstoffreiche Länder Afrikas werden von autoritären, diktatorischen und/oder korrupten Regierungen geführt. Es seien – so das Argument – bisweilen umfangreiche Bestechungen im Spiel, die jedoch nicht der Gesamtbevölkerung zugute kämen, sondern den politischen Eliten, die diese Gelder dann zum eigenen Machterhalt nutzten anstatt sie an die breite Bevölkerung weiterzugeben. Wenn aber Rohstoffausbeutung und Rohstoffexport nur einer schmalen Elite zugute kommt, trage der Ressourcenreichtum wenig zur Steigerung des allgemeinen Wohlstands eines Landes bei. 

Beispiel für die große Kluft zwischen Arm und Reich in rohstoffstoffreichen Ländern ist weiterhin der Kongo. Denn obwohl ein hoher Prozentsatz – der Menschenrechtler Golden Misabiko spricht von 80 Prozent –  des heute begehrten Rohstoffs Coltan, der für die Herstellung von Computern und Smartphones benötigt wird, aus dem Ostkongo stammt, ist das Land eines der ärmsten der Welt.

 

3.
We Come As Friends: Beispiel filmischen Muts

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Der Dokumentarfilm We Come as Friends gewinnt den World Cinema Documentary Special Jury Award in der der Kategorie “Cinematic Bravery” 
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We Come as Friends ist der Titel eines Dokumentarfilms des amerikanischen Filmemachers österreichischer Herkunft, Hubert Sauper, der in seiner filmischen Dokumentation die Situation des Südsudan kurz vor und während der Unabhängigkeit beleuchtet. Der Film hatte bei den 64. Filmfestspielen in Berlin (2014) seine europäische Premiere. [4]  Der Südsudan ist bislang (2014) der jüngste Nationalstaat Afrikas. 2011 in die Unabhängigkeit entlassen, kämpft er um sein Dasein.   [5]

Die Begleitumstände des Film sind faszinierend.  Sauper machte sich mit einem befreundeten Dokumentarfilmkollegen mit einer von ihm selbst entworfenen Propellermaschine, von Frankreich aus startend, in die Region des späteren Südsudans auf. Das eher altmodisch anmutende Fluggerät fiel gleichsam in unterschiedlichen locations des Sudan vom Himmel. Um Landeerlaubnisse zu erhalten, musste sich die Crew bisweilen verkleiden. [6]

Die Stärke dieses Dokumentarfilms liegt im breiteren Kontext, den er entfaltet. Gleich zu Beginn des Films macht Sauper deutlich, dass es sich bei der Teilung des Sudan – aus seiner Sicht – um einen Machtkampf zwischen den USA und ihren Verbündeten auf der einen Seite und China auf der anderen Seite handele. Hauptthema: die Ausbeutung der reichen natürlichen Ressourcen des Landes. So lässt sich denn auch der Titel verstehen: Wer immer sie sind, die externe Mächte, die sich um Afrika bemühen: Sie kommen vordergründig als “Freunde”. Dazwischen eingeblendet ist viel historisches Archivmaterial, u.a.  Aufnahmen der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton, die bei einem Besuch in Lusaka/Sambia vor den Gefahren eines neuen Kolonialismus in Afrika” warnte. Sie fügte hinzu, dass diese Bedrohung insbesondere von chinesischen Unternehmen ausginge, deren Afrika-betreffende Rohstoffstrategie (im Gegensatz zu der US-Amerikas) nicht an die Erfordernisse einer „good governance“ der entsprechenden rohstoffexpotierenden Länder gekoppelt sei. Eingeblendet wird auch ein Clip über den Schauspieler George Clooney, der ihn bei einer “good-will“-Mission in Afrika zeigt. Im Einklang mit der Politik der Obama-Regierung hatte sich Clooney als leidenschaftlicher Verfechter der Teilung des Sudan geoutet.

Es gibt viele Szenen im Film, die sich durch ihre Ausdruckskraft in der Erinnerung festsetzen. Da ist z.B. ein Sudanese, der sich in einen Vertrag mit einer in Dallas/TX ansässigen Gesellschaft eingelassen hatte. Wenn ich es richtig interpretiere, willigte er für den Erlös von 25.000 US-Dollar in einen Leasing-Vertrag ein, der die Rechte an 600.000 Quadratmeter Hektar sudanesischen Landes an einen US-Investor abtrat. Die BewohnerInnen des abgetretenen Landes wurden in die Armut und Rückständigkeit gedrängt. Sauper interviewte Mitglieder einer community, die gezwungen waren, aufgrund ihrer Vertreibung vom abgetretenen Land Shanty-Häuser über einem Friedhof zu bauen, um eine notdürftige Überbleibe zu haben..

Eine andere, ebensfalls ausdruckstarke Szene erzählt von einer Gruppe christlicher Missionare, die versuchen, den Eingeborenen” (natives), meint der ursprünglich ansässigen Bevölkerung,  „Zivilisation“ nahezubringen. Viel scheint sich im Laufe der Jahrhunderte nicht geändert zu haben. Was sich jedoch verändert hat, ist die Technologie: Die modernen Missionare sind mit solarbetriebenen Handys unterwegs, mit denen es ihnen gelingt, über Funk-Bibeln das Wort Gottes auch in den entlegensten Regionen des Sudans zu hören und verbreiten zu können.

4.
Land Grabbing in Afrika: Bedrohung oder Entwicklungschance?

 africa land grab“African Rush” im 21. Jahrhundert
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Mit Land Grabbing wird die strittige Frage großflächiger Landnahmen bezeichnet: der Kauf oder das Leasing von großen Grundstücken in den “Entwicklungsländern” durch nationale oder transnationale Unternehmen, Regierungen oder Einzelpersonen. Der Landerwerb sei, wenn es sich um besonders um ausländische Investoren in der Landwirtschaft handle, oft an den Anbau von Agrarprodukten gekoppelt, die für die Ausfuhr bestimmt seien. Afrikanische Agrarexperten fragen sich deshalb, ob solche Landdeals der eigenen Landwirtschaft förderlich sind oder ob sie nicht eher zu einem bedenklichen Neo-Kolonialismus“ führen. Dies sei eine besorgniserregende Entwicklung, bemerkte Akinwumi Adesina, ehemals  Vizepräsident der InteressengruppeAllianz für eine Grüne Revolution in Afrika” (AGRA). Ein solcher Fremdlanderwerb, argumentierte er, berge zudem die Gefahr in sich, inländische Anstrengungen zur eigenen Lebensmittelproduktion zu bremsen, damit auf breiter Basis die Chancen für ein nationales Wirtschaftswachstum begrenzend. [7]   Er weist jedoch auch nicht von der Hand, dass solche Investitionen von außen Vorteile für die betroffenen Länder hätten, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur. So etwa, wenn als Gegenleistung für die Abtretung großflächigen Landes der Bau von effizienten Transportwegen oder von hochseetauglichen Häfen in Aussicht gestellt werde.  In Kenia gab es lokalen Widerstand zu einem Vorschlag von Qatar, im Gegenzug für die Rechte über rund 40.000 Hektar Land im Tana River Valley den Bau eines Tiefwasserhafen anzubieten.

Besonders schmerzlich sind die Auswirkungen des Land grabbing  für diejenigen, die bisher das Land besiedelt haben. Kleinbauern haben in jeden Fall die schwächeren Karten.

 5.
Wie Handys die Wirtschaft Afrikas verändern

Unterseekabel haben in den vergangenen Jahren Kenia an den globalen Datenverkehr angeschlossen. Inzwischen generiert das Internet laut McKinsey 2,9 Prozent der Wirtschaftsleistung – via Online-Handel, IT-Investitionen und Effizienzgewinnen. Zum Vergleich: In Deutschland sollen es 3,2 Prozent sein. In 2025, so das Argument, könnte das Netz in ganz Afrika zehn Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, also 300 Milliarden Dollar. [8] 

Bei mobilen Zahlungen hat Afrika im letzten Jahrzehnt zugelegt. Mobile Zahlungen ersetzen heute zunehmend den Bankensektor, der bisher nur schwach ausgeprägt war.

Die Millionenstadt Nairobi in Kenia ist laut Berichten zu einem Magneten für Technik-Startups geworden. Das Wort vom “Silicon Savannah” macht die Runde. Zur Wortschöpfung: Nur wenige Kilometer vom Zentrum Nairobis entfernt grasen Giraffen in der Savanne, hetzen Löwen Antilopen. Gleichzeitig geht es in den Büros, Laboren und Gründerzentren um die besten Geschäftsideen für das mobile Internet. [9]

Die Verbesserung der Netzabdeckung und die damit verbundenen geringeren Datenkosten zeigen  Auswirkungen auf die Wirtschaft. Als Beispiel: das phone farming. Phone Farming bezieht sich auf die Optimierung der Landwirtschaft via Handy. So informiert beispielsweise der e-Soko-Dienst – e-Soko steht in Swahili für e-Markt  – afrikanische Bauern und Bäuerinnen per SMS über die aktuellen Marktpreise im Groß- und Einzelhandel für ihre Farmprodukte, wodurch sie ihre Waren rechtzeitig und ohne Mittelsmänner für den besten Preis verkaufen können. Dies ist besonders wichtig, da die bisherigen Zwischenhändler oft Preise vorgaben, die unter den Produktionskosten lagen [10]  Ein anderes Beispiel ist die Rinderoptimierung mit iCow. Diese App erstellt für Kühe Fruchtbarkeitskalender, was – ohne jetzt in Details einzusteigen –  Konsequenzen für die Milchproduktion hat. Mitgeliefert werden Impfzeiten etc., alles was man an Know-How wissen muss, um sich effizient landwirtschaftlich einbringen zu können.

6.

Dead Aid versus Smart Aid

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Foto eines FATHIMA-Posters anlässlich eines Afrika-Seminars der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bad Münstereifel (Feb. 2014)
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 Wie könnte heute eine zeitnahe  Entwicklungszusammenarbeit aussehen, die den afrikanischen Ländern förderlich ist?

2009 veröffentlichte Damisa Moyo, Ökonomin aus Sambia, ein Buch mit dem Titel Dead Aid , im deutschen Untertitel: Warum Entwicklungshilfe nicht funktioniert und was Afrika besser machen kann. [11]  Darin nimmt Moyo aus ihrer Sicht zu den Folgen der traditionellen  Entwicklungshilfe für Afrika Stellung. Moyo ist mit wirtschaftlichen Fragen vertraut. Sie studierte in Oxford und Harvard und gewann ihre wirtschaftspraktischen Einsichten bei der Weltbank.

Dead Aid ist kein “feel-good”-Buch. Moyo stellt unbequeme Fragen, z. B. weshalb sich die Länder südlich der Sahara immer noch in einem Kreislauf von Korruption, Krankheit, Armut und finanzieller Abhängigkeit befinden, obwohl sie seit 1970 Millardensummen an US$ an Entwicklungshilfe bekommen haben. Ihr Fazit: Finanzielle Entwicklungszuwendungen sind der Weg zur Hölle:  It’s dead aid:  “[B]illions of dollars in aid sent from wealthy countries to developing African nations” hätten nicht dazu beigetragen, Armut zu reduzieren und Wachstum zu fördern: “[Aid] has been, and continues to be, an unmitigated political, economic and humanitarian disaster for most parts of the developing world”.
Sie begründet ihre These so:

  • In Ländern mit schwachen Parlamenten mache es eine Abhängigkeit von Entwicklungshilfe traditioneller Art schwieriger, eine gute Regierungsführung (good governance) mit entsprechenden politischen Reformen auf den Weg zu bringen. Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen verleite zum “strong President, weak Parliament”-Syndrom und verhindere die Übernahme politische Verantwortlichkeit.

  • Die Auswirkungen der Entwicklungsbeihilfe auf das Wirtschaftswachstum der einzelnen Länder seien umstritten. Sie funktioniere bisweilen, aber funktioniere auch wieder nicht. Entwicklungshilfe könne nur funktionieren, wenn es entsprechende Begleitfaktoren gäbe, die dies ermöglichten.

  • Eine Reduktion von Armut setze nachhaltiges ökonomisches Wachstum voraus und sei gekoppelt an eine breite, stabile Mittelschicht. In vielen Fällen fördere die  (traditionelle) Entwicklungshilfe eine solche Entwicklung nicht. [12]

Bis zu diesem Punkt kann man Moyos Kritik folgen. Was sie jedoch als Alternative vorschlägt und was ihrer Biographie geschuldet ist, ist für mich weniger überzeugend.

Das heißt aber nicht, dass “Entwicklungshilfe” grundsätzlich kontraproduktiv sein muss. Eine Möglichkeit wäre eine Entwicklungszusammenarbeit nach dem „SmartAid-Konzept“.

“SmartAid” (als Trademark) ist ein Akronym. Es steht für:

  • Sufficient in scale and delivered in a predictable manner;

  • Measurable so taxpayers and recipients can see results;

  • Accountable to the poor for whom it is intended;

  • Responsibly managed and coordinated at the highest level of donor governments;

  • Transparent in presentation to allow scrutiny by civil society.

Es gibt viele Hilfsprojekte, die SmartAid-Erfordernissen genügen. Eines ist FATHIMA.

FATHIMA steht für Förderverein Agro-Technischer und Handwerklicher Initiativen für Mädchen in Afrika. Fatima ist aber auch ein Mädchenname, gewidmet einem 14-Jährigen Mädchen aus dem Dorf Kassan in Burkina Faso, die 2009 in der Hauptstadt Ouagadougou in einer Toilette erhängt aufgefunden wurde. Damit sich das Schicksal dieses Mädchens nicht wiederholt und damit Mädchen Perspektiven im eigenen Dorf finden und nicht in die Städte ziehen müssen, haben sich Eltern in Kassan zu dem Verein Konlêkoûn zusammengeschlossen und begonnen, ein Ausbildungszentrum für Mädchen zu bauen. FATHIMA e.V.hat sich die Förderung dieser und damit verwandter Initiativen zur Aufgabe gemacht.

Die eingebrachten Spenden, so ist in der Website nachzulesen, gehen zu 100% in die Förderung von Entwicklungen vor Ort ein. Alles, was an Kosten hier vor Ort anfällt, wird von den InitiatorInnen selbst privat bestritten. Die Erfolge der Arbeit sind sowohl für die SpenderInnen in Deutschland wie für “EmpfängerInnen” vor Ort in Afrika transparent.

Zwischenzeitlich hat sich die traditionelle „Entwicklungshilfe“ zu einem mächtigen Industriezweig entwickelt, die von großen Celebrities des Schaugeschäfts unterstützt wird: Bono, Bob Geldof, Angelina Jolie . Aber zunehmend wird auch Kritik laut. Eine wachsende Zahl von afrikanischen ExpertInnen hat begonnen, das sog. Aid Game zu hinterfragen. In den Blickpunkt gerät das Konzept der “Hilfe als Geschäft“ (Aid as Business). Entwicklungshilfe ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden mit vielen bisweilen gut honorierten Arbeitsplätzen.

FATHIMA ist nur ein Beispiel dafür, wie eine Entwicklungshilfe “von unten” aussehen könnte, eine,  die sich an den Bedürfnissen und Wünschen der AbnehmerInnen vor Ort orientiert.

7.
Gleichwertige Partner?  – Taten statt Worte?

Afrika verändert sich schneller als unser Bild von Afrika. 2050, so liest man bisweilen in Prognosen, wird Afrika ein größeres und jüngeres Arbeitskräftepotential haben als China oder Indien. Mit ausreichendem Land und einem Reichtum an natürlichen Ressourcen wird die junge afrikanische Erwerbsbevölkerung einen globalen Wettbewerbsvorteil haben und eine treibende Kraft für Transformationen sein; dies wohl innerkontinental wie durch seine Präsenz nach außen. Der Wandel kündigt sich allerorts an, wenngleich immer noch durch die Katastrophenberichterstattung überschattet. Unlängst veröffentlichte Der Freitag  in Kooperation mit dem britischen Guardian einen Beitrag, in dem es um weniger bekannte, positive Informationen zu Afrika ging. [13].

Afrika holt auf, und zwar rasant. Für viele externe westliche KommentarorInnen mag der Wandel nicht schnell genug vor sich gehen, was jedoch auch Gründe hat, an denen die deutsche/europäische/transatlantische Afrikapolitik nicht unbeteiligt ist. Mittlerweile ist die deutsche Afrikapolitik dabei, ihr bisheriges Konzept zu revidieren und auf “neue Füße” zu stellen. Das jedenfalls geht aus dem dem Papier “Die neue Afrika-Politik des BMZ – Afrika auf dem Weg vom Krisen- zum Chancenkontinent” hervor. [14]

Da ist die Rede von nachhaltiger landwirtschaftliche Wertschöpfung, die gemeinsam mit der deutschen Agrarwirtschaft aufgebaut werden soll, von der Errichtung Berufsbildungszentren für ländliche Entwicklung, vom Aufbau eines Frühwarnsystems für steigende Nahrungsmittelpreise, von deutsch-afrikanische Partnerschaften von Schulen, Hochschulen, (Sport-)Vereinen, Kirchengemeinden und Kommunen, von einem deutsch-afrikanisches Jugendwerk nach Vorbild des deutsch-französischen Jugendwerkes von einer merklichen Erhöhung der Mittel für neue Bildungsmaßnahmen in Afrika, von jährichen Zuwendungen im niedrigen zweistelligen Milionen-Bereich für die Ausrottung der Kinderlähmung in Afrika (insbesondere Nigeria) über die globale Initiative zur Polio-Ausrottung, u.v.m. ..

Solche Absichtsbekundungen klingen gut, und es wird sich zeigen, ob sie nur Worte bleiben oder ob ihnen tatsächlich Taten folgen. Für die kritischen ZeitgenossInnen erscheint jedoch das neue  Afrikakonzept dennoch janusköpfig; umsomehr, wenn man es vor dem Hintergrund der Geltung europaweiter Beschlüsse liest. Es wird auch weiterhin in Deutschland als einem rohstoffarmen Land um die Sicherung von Ressourcen gehen, ebenso wie die Sicherung von afrikanischen Märkten für deutsche Exportartikel. Der Widerspruch wird deutlich, wenn man ein Zitat aus der Wirtschaftswoche zu Hilfe nimmt. Hintergrund ist der Versuch afrikanischer Staaten, den Ressourcenexport mit höheren Abgaben zu belegen, damit der Ressourcenreichtum dem jeweils eigenen Land zugute kommt:

 Mit Export-Beschränkungen wollen afrikanische Staaten die Rohstoff-Verarbeitung im Inland ankurbeln. China wurde dies gerade von der WTO verboten. Auch die EU erklärt, dass „die Souveränität eines Landes über seine natürlichen Ressourcen es nicht erlaube, die Verteilung der Rohstoffe zu kontrollieren.“

Die Diskrepanz zwischen Regierungsabsicht und dem bestehenden Regelwerk nimmt Niema Movassat, Entwicklungsexperte der Bundestagsfraktion Die Linke, zum Anlass, die EPAs (europäische Wirtschaftsvereinbarungen) mit Blick auf ihren Beitrag zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas zu kommentieren:

Die EPAs sind nicht entwicklungsförderlich, ganz im Gegenteil. Namibia erhebt Exportsteuern auf Rohstoffe, nicht aber auf Produkte, die aus diesen Rohstoffen produziert werden. Das ist ein Anreiz, Rohstoffe im eigenen Land zu verarbeiten. Das fordern Entwicklungspolitiker seit Jahren.[ …]  Die EPAs verbieten aber Ausfuhrsteuern auf Rohstoffe.  (Pressemitteilung des Bundestags)

In der Zwischenzeit wird das arme reiche Afrika weiterhin für seinen Resourcenreichtum bestraft.  

Und was den Zugang zu afrikanischen Absatzmärkten betrifft, sieht die Bilanz aus Sicht der afrikanischen Bevölkerung nicht wesntlich anders anders aus. Dazu sei kurz an den Hähnchenrestexport nach Afrika erinnert, das “Geschäft mit unserem Abfall”. Die zu Dumpingpreisen auf afrikanische Märkte gebrachten Hähnchenabfälle wirken sich nachteilig auf die Förderung einer unabhängigen afrikanischen Viehwirtschaft aus. 

Masthähnchen sind aufgrund von modernen Produktionsmethoden und Turbomast zu einen Billigprodukt geworden, das sich in Deutschland jedermann jederzeit leisten kann. Aber nicht alle Teile sind gefragt. Diese „Abfälle“ werden nach Afrika gebracht und dort zu Dumpingpreise verkauft, mit denen einheimische Hähnchenproduktionen nicht preislich konkurrieren können. Das Ergebnis: Die einheimische Hähnchenwirtschaft  rentiert sich nicht und entwickelt sich nicht weiter. Solche Beispiele lassen sich vermehren (z.B. Elektroschrott-Entsorgung, Vertrieb von Nahrungsmittelprodukten, die auf die einheimische Bevölkerung nicht zugeschnitten sind, etc.)

Ansätze für eine über die Politik in die Wege geleitete Veränderung  gibt es bereits.

Nach Angaben von „Brot für die Welt“ steht jeder fünfte Konflikt weltweit im Zusammenhang mit Rohstoffen, besonders betroffen sind dabei Afrika und Lateinamerika. In den USA gibt es mittlerweile Dodd-Frank-Act,  eine gesetzliche Regelung, die Offenlegungspflichten für börsennotierte  Konzerne vorsieht. [14] Hierzu Dietmar Osterman:

Wer in den USA seinen Laptop, sein Handy oder die Spielekonsole zur Hand nimmt, soll künftig wissen, ob er Blut an den Fingern hat. In all diesen Geräten steckt Tantal, ein seltenes chemisches Element, aus dem sich besonders effiziente Kondensatoren bauen lassen. Gewonnen wird das Metall aus dem Erz Coltan. Laut US-Schätzungen stammt ein Fünftel der weltweiten Tantal-Produktion aus der Demokratischen Republik Kongo. In dem zentralafrikanischen Staat wird auch nach dem Friedensabkommen von 2008 weiter gekämpft und getötet. Im rohstoffreichen Osten, wo neben Coltan auch Gold, Wolfram und Zinn abgebaut werden, kontrollieren bewaffnete Gruppen vielfach den lukrativen Bergbau.

iSlave oder Fairphone. Dazu Andreas Lorenz-Meyer in “Der Preis der Handys”: 

Die etwa 30 Metalle, die in einem Smartphone stecken, werden häufig unter katastrophalen Bedingungen abgebaut. In Kobaltminen des Ostkongos etwa sind Arbeiter giftigen Dämpfen ausgesetzt. Auch Kinder arbeiten in den Schächten. Für die Schinderei wird nur ein Hungerlohn gezahlt. Zudem stehen die Minen zum Teil unter der Kontrolle von Milizen. An den Geräten, mit denen wir im Internet surfen und telefonieren, soll Blut kleben.

Nachdem das weitgehend fair hergestellte Fairphone von KäuferInnen angenommen wurde, bekannte sich mit Apple auch ein weiterer Hersteller dazu, keine Rohstoffe mehr aus Krisengebieten für seine Produkte zu verwenden. [15]

Es ist viel im Wandel. Auch was die Wahrnehmung Afrikas in unseren in unseren Köpfen betrifft. Das Wichtigste: Es ist Zeit, uns von der “westlichen” Besserwisserei ein Stückweit zu verabschieden, von dem notorischen, historisch geprägten paternalistischen Blickpunkt, der AfrikanerInnen vorschreiben will, wie der Weg zum ihren Glück auszusehen habe. Das beduetet mehr als eine Begegnung „auf Augenhöhe“. Es bedeutet Respekt, der auch die Bereitschaft einschließt, anzuerkennen, dass es Dinge in Afrika gibt, die wir aufgrund unserer jahrhundertelangen “westlichen” Konditionierung nicht verstehen (können) und die daher für uns unbedeutend sind. Es gilt, auch das besagt ein „partnerschaftliches“ Klima, „über den eigenen Tellerand” zu schauen. Aber das ist Stoff für ein anderes Thema. 

Anmerkungen

[1] Ein lesenswertes Buch zum Thema afrikanische Unabhängigkeit ist das von AfricAvenir International e.V. herausgegebene 50 Jahre afrikanische Un-Abhängigkeiten: Eine (selbst)-kritische Bilanz und Geschichte der afrikanischen Unabhängigkeiten mit den aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatten. (Bundeszentrale für Politische Bildung, 1. Auflage 2012) Die 3. Auflage der vergriffenen Veröffentlichung wird in Augenblick über ein Crowdfunding  finanziert. Der Vorteil des Buches: Während zuvor die Geschichte Afrikas meist von europäischen oder, gelegentlich, transatlantischen AutorInnen geschrieben wurde, kommen hier afrikanische AutorInnen in deutscher Sprache selbst zu Wort; dies nicht nur anhand von Reden und Analysen, sondern in einer Vielfalt von Textformen (Literatur, HipHop etc.) , die auch einen emotionalen Zugang zum Thema ermöglichen.

[2] Infografiken zu Afrikas Volkswirtschaften kann man sich online anschauen in einem  Beitrag der Heinrich Böll-Stifung (25. Feb. 2014) . Darin findet man z.B. auch eine Infografik zum Rohstoffvorkommen in Afrika. 
[3] Der Begriff “Ressourcenfluch” wurde 1993 von Richard Auty geprägt, um zu beschreiben, warum rohstoffreiche Länder in Afrika oft wider Erwarten nicht in der Lage sind, ihren Reichtum für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu nutzen.
[4]  Details zum Dokumentarfilm einschließlich Standaufnahmen finden sich auf der entsprechenden Seite der Berlinale 2014.
[5] vgl. Jacob K. Lupai, „South Sudan: Search for Indigenous Solution to South Sudan Problem“, South Sudan News Agency (8 April 2014). 

[6] Interview with Hubert Sauper“ auf DemocracyNow via YouTube
[7]  “Is Africa’s land up for grabs? Foreign acquisitions: some opportunities, but many see threats” In:  Africa Renewal.
[8] Zitiert aus einem Beitrag  der Wirtschaftswoche vom 08.04.2014.  
[9]  “iCow und mehr: Wie Mobile Landwirtschaft in Afrika verändert.” GFM – Das Branchenmagazin für Mobile.
[10]   Afrikanische Volkswirtschaften brauchen mehr als nur als Wachstums, wenn sie sich transformieren sollen. Sie brauchen Wachstum mit DEAPTH – Tiefe. Das heißt, sie müssen

Diversify their production, make their

Exports competitive, increase the

Productivity of farms, firms, and government offices, and upgrade the

Technology they use throughout the economy—all to improve

Human well-being.

[11]   Dambisa Moyo, ‘Dead Aid: Why Aid Is Not Working And How There is a Better Way For Africa’ (Farrar, Straus and Giroux, New York: 2009). Reaktionen aus Afrika: Dambisa Moyo about Dead Aid; Dead Aid’ – Dambisa Moyo, a detailed review; Dead Aid’ by Dambisa Moyo – a review; Dambisa Moyo’s ‘Dead Aid’ – Africa’s PR disaster
[12] Zu kritischen Stimmen zu Moyos Ausführungen vgl. ebd.
[13] In einem Beitrag vom 06.09.2012 listete Der Freitag auf, wo es punktuell Positives über afrikanische Länder zu berichten gibt.  Eine ergibige englischsprachige Quelle ist der britische Guardian mit seinem “Africa Network.”
[14] Das Papier enthält Erläuterungen zu den einzelnen Kernpunkten des neuen Afrika-Konzepts, die es in den mitgedachten Kontext stellen.
[15] Apple hat in einem Bericht seine Bereitschaft bekräftigt, in Zukunft ebenfalls  Materialien wie Tantal, Wolfram, Zinn und Gold aus konfliktfreien Quellen beziehen zu wollen. “Dabei werde sich das Unternehmen nicht aus Krisengebieten wie der Demokratischen Republik Kongo zurückziehen, sondern hier insbesondere die konfliktfreie Förderung von Tantalerzen unterstützen. ” (nach golem.de)

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