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- Klimawandel: ein heikles Thema. Worte spielen eine entscheidende Rolle
- Sprache und Migration: Warum es wichtig ist, wie wir über Migranten reden
Gletscher ziehen sich zurück, Eiskappen schmelzen in der Arktis, Inseln versinken. Es gibt Überschwemmungen und Dürren: Wir werden Zeuge der Auswirkungen extremer Wetterbedingungen. Der Klimawandel ist eine der großen Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft: ein globales Problem mit schwerwiegenden Umwelt-Aspekten und sozialen, wirtschaftlichen, verteilungsrelevanten und politischen Dimensionen. Über Klimawandel und Klimapolitik ideologiefrei zu reden, ist eine heikle Angelegenheit: Dennoch hilft es nicht, das Problem zu verdrängen. Schwerpunkt des folgenden Beitrags ist die Rolle, die Sprache in der Debatte um den von Menschen verursachten Klimawandel spielt.
1. Was steckt hinter dem Terminus Klimawandel? Ein paar begriffliche Klärungen
Klimawandel
Der Begriff bezeichnet die Veränderung des Klimas auf der Erde, zunächst unabhängig davon, ob die Ursachen auf natürlichen oder menschlichen (anthropogenen) Einflüssen beruhen. Die gegenwärtige globale Erwärmung ist ein Beispiel für einen zum Teil anthropogenen Klimawandel. Der wissenschaftliche Konsens über den Klimawandel besteht darin, dass sich das Klima verändert und dass diese Veränderungen zum großen Teil durch menschliche Aktivitäten verursacht werden und weitgehend irreversibel sind.
Klimaschutz
Klimaschutz ist der Sammelbegriff für Maßnahmen, die einer durch Menschen verursachten globalen Erwärmung entgegenwirken und mögliche Folgen der globalen Erwärmung abmildern oder verhindern sollen. Klimaschutzziele sind u.a. die Begrenzung der globalen Erderhitzung auf 2 Grad.
Klimaskeptiker und Klimaleugner
Die Begriffe liegen eng beieinander. Der Unterschied: Klimawandelskeptiker, verkürzt Klimaskeptiker, sind für rationale Argumente offen, während sich Klimawandelleugner, verkürzt Klimaleugner, rationalen Argumenten verschließen.
2. Nicht nur den Eisbären steht das Wasser bis zum Hals: Bedrohungen durch den Klimawandel
Bild: Bedrohte Tierwelten: Eisbären
Ein Eisbär, der einsam auf seiner Scholle treibt. Die Eisbären verlieren an Lebensraum: Aufgrund der Meereis-Schmelze in der Arktis droht eines ihrer wichtigsten Jagdreviere zu verschwinden.
Ebenso vom Klimawandel bedroht sind die tief liegenden Inseln des Pazifiks. Auch für sie ist der Anstieg des Meeresspiegels eine Bedrohung, die sich auf ihre Lebensgrundlagen, die Infrastruktur, die Landwirtschaft und die Wasserressourcen auswirkt.
James Balog: Zeitraffer-Beweis für den Gletscherschwund
Mit Zeitraffer-Kameras machte Naturfotograf James Balog und sein Team den Klimawandel sichtbar.
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In anderen Teilen der Erde führte die globale Erwärmung zu einer Zunahme von Dürren. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Landgebiete aufgrund höherer Treibhausgaskonzentration erwärmt. Zugleich haben die Niederschläge über große Teile von Afrika, Südeuropa, Süd- und Ostasien, des östlichen Australien, von Mittelamerika und der mittleren Pazifikküste von Nordamerika abgenommen. Im Einzelfall ist die Zuordnung einer Ursache nicht immer einfach: natürliche Schwankungen und die anthropogene Erwärmung wirken zusammen wie bei der Saheldürre. Die Erwärmung des Indischen Ozeans, die für die Sahel-Dürre mitverantwortlich gemacht wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die globale Erwärmung bedingt.
3. Klimawandel und Migration
Viele Regionen der Welt werden in absehbarer Zeit unbewohnbar sein, da sie entweder überschwemmt oder aufgrund der hohen Temperaturen zu Zonen geworden sind, in denen sich nicht mehr leben lässt. Es ist vorausehbar, dass viele Millionen Menschen in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten klimabedingt gezwungen sein werden, ihr Land zu verlassen. (Matthew Taylor, The Guardian (2 Nov. 2017))
UNHCR, die Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen, hat bestätigt, dass die Folgen des Klimawandels enorm sind. Knappe natürliche Ressourcen wie Trinkwasser werden noch begrenzter werden. Viele Nutzpflanzen und Nutztiere werden an bestimmten Orten nicht überleben, weil die Bedingungen zu heiß, zu trocken oder zu kalt und nass werden. Die Ernährungssicherheit, jetzt schon ein erhebliches Problem, wird in Zukunft noch schwieriger werden.
4. Klimaschutz als globale Herausforderung: 25 Jahre UN Klimakonvention
Bild: Briefmarke zur 1.Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention. Auf der ersten Konferenz der Klimarahmenkonvention im Frühjahr 1995 in Berlin wurde das „Berliner Mandat” verabschiedet. Es diente als Basis für Verhandlungen über das spätere Kyoto-Protokoll, das im Jahr 1997 auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Kyoto beschlossen wurde.
Der Erdgipfel im Juni 1992 in Rio de Janeiro war ein Meilenstein für den Klimaschutz. Dazu Klaus Töpfer, einer ihrer Väter und ehemaliger Bundesumweltminister:
Es war eine Großveranstaltung der Vereinten Nationen, die Umwelt und Entwicklung miteinander verknüpft hat. Sie hat uns zum Kernpunkt unserer heutigen Umweltpolitik geführt, nämlich der nachhaltigen Entwicklung. … In Rio wurde die UN-Klimarahmenkonvention verabschiedet, also das Grundgesetz der Klimapolitik. Sie ist kurz danach in Kraft getreten – und zwar mit den US-Amerikanern.
2015 hatten in Paris insgesamt 195 Staaten einen Kilmavertrag verabschiedet. Hauptziel war die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf möglichst 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Es wurde festgeschrieben, dass die Industrieländer von 2020 bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Umbau der Energieversorgung, aber auch zur Beseitigung von durch den Klimawandel verursachten Schäden zur Verfügung stellten.
5. Klimaskeptiker und Sprachpolitik
Am 1. Juni 2017 gab der amtierende US-Präsident Donald Trump bekannt, die Vereinigten Staaten würden von dem Pariser Übereinkommen zurücktreten. Der Vertrag sei unfair gegenüber den Vereinigten Staaten. Er sei gewählt worden, um Pittsburgh zu repräsentieren, nicht Paris. Trump erklärte in seiner Rede ebenfalls, dass die USA alle gemachten Zusagen einstellen würden, darunter auch Zahlungen an den Green Climate Fund.
Der US-Präsident hatte die Wahrhaftigkeit der Forschung zum Klimawandel immer wieder in Frage gestellt und zu bedenken gegeben, dass es sich dabei vermutlich um einen ausgeklügelten chinesischen Betrug handelte. Es folgten Anweisungen an die Environmental Protection Agency (EPA), verschiedene Verordnungen zum Abbau von Treibhausgasen abzuschaffen oder zu ändern und mehr öffentliches Land und Gewässer für fossile Quellen zu öffnen. (Milman) Gleichzeitig wurde die Sprache aktualisiert, um den Ansatz der neuen Regierung widerzuspiegeln. Ein Beispiel.
Bianca Nadine Moebius–Clune leitete das Department für Bodenwissenschaften an der Cornell University. In einem Schreiben an ihre MitarbeiterInnen, listete die Wissenschaftlerin Begriffe auf, die künftig vermieden werden sollten. „Klimawandel“ stand in der Kategorie „Vermeiden“: Es sollte durch „Wetterextreme“ ersetzt werden, „Anpassung an den Klimawandel“ durch „Widerstandsfähigkeit gegenüber Wetterextremen“. Als Alternative für „Treibhausgase reduzieren“ schlug sie vor: „aufbauen von organischer Bodenmasse,“ „Erhöhung der Nährstoffnutzungseffizienz“.
Durch die Vermeidung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen (anthropogenen) Klimawandel und seinen Folgen wird die Perspektive auf Forschungsprojekte verlegt, die ins sich zweifelsohne von Wert sind, die jedoch von der menschlichen Verantwortung für die extremen Wetterbedingungen ablenken.
6. Climate-Fiction
Climate Fiction kommt das Verdienst zu, das abstrakte Konzept des Klimawandels und seine möglichen Konsequenzen durch eine persönliche Erfahrung fassbar machen. In der Klimafiction, allgemein abgekürzt als cli-fi, spielt der Klimawandel eine zentrale Rolle. Nach einigen Berichten wurde der Begriff von Dan Bloom im Jahr 2007 „als Subgenre der Science-Fiction“ geprägt.
Ein paar Beispiele:
Omar El Akkad, American War (2017)
Der in Ägypten geborene Journalist und kanadische Schriftsteller Omar El Akkad entwirft in American War ein Zukunftsszenario, in dem ein strenges CO2-Verbot zu einem neuen Bürgerkrieg führt.
Hintergrund ist ein dramatisch angestiegener Meeresspiegel, der Regionen der ehemaligen USA unterschiedlich belastet, den Süden stärker als den Norden. Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Sara T. Chestnut, die sich selbst Sarat nennt und die – als der Vater bei einem Attentat der Aufständischen ums Leben kam, mit ihrer Mutter und ihren zwei Geschwistern in einem Flüchtlingslager in Iuka, Missisippi, landete. Dort beginnt der zweite Teil ihrer Lebensgeschichte, die sie zur Terroristin machte.
Ausgaben
Omar El Akkad, American War. Aus dem Amerikanischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié (2017)
Leseproben
Barbara Kingsolver, Das Flugverhalten der Schmetterlinge, übersetzt von Sylvia Spatz (2014)
Saci Lloyd, The Carbon Diaries 2015 (2008)
Barbara Kingsolver, Das Flugverhalten der Schmetterlinge (Flight Behavior, 2012)
Die Story folgt der Protagonistin, Dellarobia Turnbow, einer in Tennessee geborenen und dort aufgewachsenen Frau. Mit 28 Jahren fühlt sie sich in ihrer Ehe und ihren familiären Pflichten gefangen, fühlt sich gelangweilt und unerfüllt und beschließt, eine Affäre mit einem jungen Telefonisten anzufangen. Auf dem Weg zu ihrem Mechaniker wird sie Zeugin eines überwältigenden Naturereignisses: Millionen von orangefarbenen Monarchfaltern schwärmten einher und hatten sich auf den Bäumen zum Überwintern niedergelassen. Das Naturspektakel machte sie nachdenklich. Sollte dies ein Zeichen Gottes sein, der ihre Entscheidung mißbilligte? Sie kehrte um.
Die junge Frau und die Schmetterlinge werden zur nationalen Attraktion. Journalisten scharten sich um sie. Erst von dem Biologen Ovid Byron erfährt sie, was sich hinter dem Naturschauspiel verbirgt.
Saci Lloyd, The Carbon Diaries 2015 (2008)
Der Klimawandel und seine Folgen ist auch Thema der Jugendliteratur. The Carbon Diaries 2015, im Deutschen etwa Das Kohlendioxid-Tagebuch 2015, der britischen Schriftstellerin Saci Lloyd handelt von einem Jahr im Leben von Laura, einer 16-jährigen Studentin in London. Die britische Regierung hatte gerade aufgrund von Wetterkatastrophen CO2-Rationierungen durchgesetzt. Der Stress des extremen Wetters („The Great Storm“) und der Kohlenstoffrationierung lastet auf ihrer Familie. Nur 200 Kohlenstoffpunkte pro Monat waren erlaubt. Das bedeutete: Stereo oder – alternativ – PC für zwei Stunden am Tag, nur fünf Minuten duschen, die Wahl zwischen Haartrockner und Mikrowelle. Keine Mangos mehr, keine Nächte in einem Club und keine Wochenendausflüge nach Ibiza mehr. Die Carbon Diaries 2015 sind der Versuch eines jungen Mädchens, „gesund“ zu bleiben in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint.
Stanley Robinson, selbst Autor von Romanen, die sich mit der Ökothematik beschäftigen (u.a. Green Earth, 2015), beschrieb, wie Climate Fiction auf Leserinnen und Leser wirkt. Es sei zwar problematisch zu verallgemeinern, weil jeder und jede etwas anderes wahrnehme: Für ihn gäbe es jedoch zwei Grundkategorien von LeserInnenreaktionen: zu einen diejenigen, die in Climate Fiction eine Bestätigung ihrer eigenen Philosophien suchten: die werde Climate Fiction nicht erreichen; auf der anderen Seite jene, die Climate Fiction als eine Warnung betrachteten. Letztere wären wichtig. Sie sagten sich, O.K., ich möchte, dass meine Kinder und Enkel die Chance haben, ein menschenwürdiges Leben zu führen, ihr Leben ist mir genauso wichtig wie mein eigenes. Jene Leser und Leserinnen seien bereit, Zeit in einer anderen, einer fiktiven, Welt zu verbringen. Wenn Climate Fiction gut gemacht sei, so Robinson, könne dies ihre Sichtweise verändern. Wenn sie dann in die Realität zurückkehrten, hätten sie eine Art Doppelvision, ihre normale Alltagsvision und ihre Science-Fiction-Vision. die sich darüber lege.
Ausblick
In den 1980er und 1990er Jahren mag es noch in Ordnung gewesen sein, sich dem Klimawandel gegenüber skeptisch zu verhalten. Seitdem hat die Wissenschaft aufgeholt: Sie hat Fakten aufgearbeitet und zugänglich präsentiert, hat Risiken und mögliche Konsequenzen aufgezeigt. 2018 feierte das IPCC, der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change) seinen 30 Geburtstag. Fiktionale Literatur hat den abstrakten Begriff des Klimawandels auf eine persönliche Erzählebene projiziert und damit das Bewusstsein für die Betroffenheit jedes Einzelnen geschärft. Mittlerweile ist der Klimawandel ist zu einem feststehenden und akzeptierten Begriff geworden. Es handelt sich um eine globale Herausforderung, die eine globale Sichtweise erfordert. Hier könnte ein gelungener Begriff hilfreich sein: der der Klimagerechtigkeit.
Klimagerechtigkeit ist ein Begriff, der die Erderwärmung als ein ethisches und politisches Problem betrachtet, nicht nur als eine rein ökologische oder physische Sache. Die Auswirkungen des Klimawandels werden mit Gerechtigkeitskonzepten, insbesondere der Umweltgerechtigkeit und der sozialen Gerechtigkeit verknüpft und beziehen Themen wie Gleichheit, Menschenrechte und die historische Verantwortung für den Klimawandel ein. Eine Basisaussage der Klimagerechtigkeit ist, dass diejenigen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, unter den schwersten Konsequenzen zu leiden haben. Es gleibt noch viel zu tun.
Literatur
„Übereinkommen von Paris“ Weltklimavertrag, beschlossen 2015 in Paris
„Klimagerechtigkeit“ Wikipedia
„Klimaskeptizismus“. Wikipedia
„Klimawandel“. Wikipedia
Bojanowski, Axel. „Desinformation zum Klimawandel – Das Geschäft mit der Katastrophe.“ Spiegel Online (15.02.2018)
Carbon Connect. Ein kurzer Blick in die Geschichte der UN-Klimakonferenzen (Teil 3) 4. Oktober 2016
Probst, Maximilian und Daniel Pelletier. „Der Krieg gegen die Wahrheit.“ Die Zeit (06.Dez. 2017)
Taylor, Matthew. “Climate change ‚will create world’s biggest refugee crisis’“. The Guardian. (2 Nov. 2017 )
Wernick, Adam. „Climate change will accelerate extreme weather events in the coming years“. Living on Earth (February 18, 2018)