1. Lyrik, Kultur, Veränderung
Amiri Baraka, Miami Book Fair International, 2007
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Amiri Baraka (aka LeRoi Jones) gehörte einer Generation schwarzamerikanischer AutorInnen an, die – ähnlich wie James Baldwin, Maya Angelou und andere – intensiv die Ungerechtigkeiten der US-Gesellschaft wahrnahmen und sie lyrisch verarbeiteten. Er schrieb Gedichte, Kurzgeschichten, Romane, Essays, Theaterstücke, Musik-und Kulturkritik und Jazz-Opern: Die Lyrik blieb jedoch seine Leidenschaft. Sein Vortragsstil basiert auf spoken-word-Traditionen versetzt mit Jazz und Rhythmik. Dies und Sensibilität Barakas für die Sprache der Straße nahmen den Rap vorweg. Eine Zeile aus “Black People!” (“Up against the wall mother f—–” ) wurde zu einem Slogan der Counterculture, aufgegriffen von protestierenden Studenten bis zu Rockbands wie Jefferson Airplane. Am 08. Januar 2014 starb Amiri Baraka in Alter von 79 Jahren. Democracy Now widmete ihm eine Würdigung seines Lebenswerkes, zu dem Amy Goodman und Juan Gonzales vier KollegInnen und WeggenossInnen Barakas eingeladen hatten: Sonia Sanchez, Lyrikerin and politische Aktivistin, Felipe Luciano, Mitglied der Last Poets, einer Gruppe von afrikanisch-amerikanischen Musikern, die in Rahmen der Bürgerrechtsbewegung und des schwarzen Kulturnationalismus arbeiteten und zu Pionieren des Hip-Hop wurden, Komozi Woodard, Professor für Geschichte am Sarah Lawrence College, einem der führenden privaten Liberal Arts College in Yonkers/New York und Autor von A Nation Within a Nation: Amiri Baraka and Black Power Politics (1994) und Larry Hamm, Vorsitzender von The People’s Organization for Progress in Newark. [1]
Rev. Jesse Jackson nannte Baraka “a curious, creative activist and change agent who never stopped fighting or working for the formula to create social justice.”
2. Vom Middle-Class Kid zum Autor der Beat Generation
Amiri Baraka wurde 1934 während der “Großen Depression” als Everett Leroi Jones in Newark/New Jersey geboren. [2] Mit achtzehn schrieb er seinen Namen LeRoi Jones, 1967 nahm er den Namen Imamu Ameer Baraka an, den er später in Amiri Baraka abwandelte. Baraka zu seinem Nameswechsel:
I was Everett LeRoi Jones. My grandfather’s name was Everett. He was a politician in that town. My family came to Newark in the ’20s. We’ve been there a long, long time. My father’s name was LeRoi, the French-ified aspect of it, because his first name was Coyette, you see. They come from South Carolina. I changed my name when we became aware of the African revolution and the whole question of our African roots. I was named by the man who buried Malcolm X, Hesham Jabbar, who died last week. He named me Amir Barakat. But that’s Arabic. I brought it down into Swahililand, into Tanzania, which is an accent. So it’s Amiri, instead of Amir, and, you know, Baraka, rather than Barakat, you know, which is interesting. If it was Amir Barakat, I would probably have more difficulty flying these days. (Transkript der Democracy Now-Sendung)
Baraka studierte Philosophie und Religionswissenschaften an der Rutgers University, Columbia und Howard University, einem historisch schwarzamerikanisches College. [3] Während seiner Studienzeit an der HU begann er, die Universität zu sehen als eine “an employment agency”, die einen “assimilationistischen” Kurs verträte. Baraka: “[T]he Howard thing let me understand the Negro sickness. They teach you to pretend to be white”, so Allison Bolah von der Howard University
1954 ging Baraka zur US Air Force und blieb dort drei Jahre. Der Bruch geschah, so kann man es lesen, als sein Kommandeur offenbar einen anonymen Brief erhalten hatte, der Baraka beschuldigte, “Kommunist” zu sein, was in Zeiten des Kalten Krieges eine unehrenhafte Entlassung wegen Verletzung des Diensteides zur Folge hatte. Baraka: “(T)he Air Force made me understand the white sickness”.
Für junge aufstrebende AutorInnen, die ihrer eigenen Stimme vertrauten, gab es in der Zeit wenig Möglichkeiten, sich erfolgreich mit Gleichgesinten zu vernetzen. Das galt für junge schwarzamerikanische AutorInnen der Zeit in besonderem Maße. Abseits der veröffentlichen Mehrheitsgesellschaft, die sich in der Zeit sehr eng definierte, gab es nur wenige Gruppen, die einen anderen als den durch Universitäten, Medien und Verlage sanktionierten Weg gingen, um Aufmerksamkeit zu erwecken. Baraka erwähnt u.a. die Black Mountain Poets. Am ausdrucksstärksten revoltierten in den 50er und beginnenden 60er Jahre die Beat Poets. 1957 zog Baraka von Newark nach Greenwich Village. [4]
Erstes bedeutendes Dokument seiner frühen Schaffensphase ist Preface to a 20 Volume Suicide Note, das – 48 Seiten stark – 1961 bei der Totem Press/Corinth Books erschien. In “Amiri Baraka on his poetry and breaking rules”, einem Video-Interview, spricht Baraka mit dem Lyriker Ethelbert Miller über seine Zeit in Greenwich Village und trägt Teile aus der Preface vor.
Der Anfang des Textes scheint auf eine persönliche Perspektive hinzuweisen. Ein Vater geht hoch ins Zimmer seiner Tochter und hört, wie sie eine Selbstgespräch führt. Dann aber wird es allgemeiner, handelt von den üblichen Routinen und Konventionen, die der Alltag eines Familienmenschen bestimmen.
Hier ein Auszug aus einem Kurzkommentar, abgedruckt in den eNotes:
The poem ultimately expresses dislocation and political stasis, implicitly questioning the role of the poet as a social voice. The meaninglessness of routinized life engenders a literary death wish. The uncertainty of direction, the inability to take action, is suggested through the poet’s construction of a “suicide” note as an ongoing literary act, a “twenty volume” discourse. The poem itself is a search for meaning and spiritual wholeness in the face of an existential quandary and malaise. Despite the personalizing of the context in the reference to his daughter, the poet also speaks for a generation of Americans facing an era of upheaval and doubt.
Ebenfalls in diese frühe Phase fällt Blues People: Negro Musik in White America (1963), das als erste große Geschichte der schwarzen Musik, geschrieben von einem African American, Berühmtheit erlangte.
1964 dann der Einakter Dutchman. In einer New Yorker U-Bahn wird Clay, ein gut gekleideter schwarzamerikanischer junger Mann, der in einem Magazin liest, von Lula, einer gutaussehenden, auf Flirt eingestellten weißen Frau angemacht. Das Stück beginnt spielerisch, baut aber schnell Spannung auf. Ein Zitat aus der sich zuspitzenden Unterhaltung zeigt, worum es letztlich geht. Lula stellt Clays sozialen Status, seine Mittelschichtsidentität, in Frage: „Welches Recht hast Du, einen Dreiteiler und eine gestreifte Krawatte tragen? Dein Großvater war ein Sklave, er ging nicht nach Harward.“ Clay aber wehrt sich und erzählt von schwarzamerikanischer Musik als Ausdruck des Aufbegehrens gegen die jahrhundertelange Unterdrückung von African Americans. Die Szene eskaliert, als Lula zu einem fatalen Mittel greift, das Gespräch zu beenden.
Das Stück beschwerte Baraka sofortige und anhaltenende Anerkennung. Es wurde mit einem Obie ausgezeichnet und 1967 mit Shirley Knight und Al Freeman, Jr. verfilmt. Hier ein Clip.
Dutchman war die letzte Arbeit, die Baraka unter seinem Geburtsnamen, Leroi Jones, veröffentlichte.
3. Baraka und die Black Arts-Bewegung
Nach der Ermordung von Malcolm X (1965) distanzierte Baraka sich von den Beat Poets, ohne jedoch den Kontakt zu Allen Ginsberg endgültig abzubrechen. Er verließ seine weiße Frau, Hettie Jones, und die beiden gemeinsamen Kinder und zog nach Harlem. Ein Kuba-Besuch hatte ihn politisiert.
Die Cuba-Reise (1960) war aufgrund einer Einladung von Fidel Castro zustandegekommen. Baraka war Mitglied einer Delegation schwarzamerikanischer Schriftsteller. “Cuba split me open”, sollte er später sagen. In Cuba traf er auf andere Engagierte, u.a. auf Robert Williams, einen berühmten NAACP-Aktivisten. Ende Januar 1965 hatte es noch ein Treffen zwischen Malcolm X, Abdulrahman Babu und Amiri Baraka gegeben, in dem es um die Ausarbeitung einer internationalen Strategie zur Befreiung von Schwarzen ging. Wenige Wochen später wurde Malcolm X ermordet.
Aus dieser Schaffensperiode stammt “Black Art”, einer der kontroversesten Arbeiten Barakas, bis auf den heutigen Tag. Entstanden auf dem Höhepunkt des schwarzen Kulturnationalismus (Black Cultural Nationalism) waren Text und Performance in vielerlei Hinsicht innovativ, auf der lyriktechnischen und sozialen Ebene. Im Mittelpunkt standen Jazz-Poesie und das Playdoyer für eine schwarzamerikanische Selbstbestimmung. Der faustschwingende Gestus gipfelte in der Forderung, Gedichte sollten Polizisten in Gassen (alleys) bekämpfen, Flugzeuge fliegen und mit Kanonen schießen, um die Welt neu zu gestalten.
Die lyrische Rhetorik, maßlos wie sie ist, ist Überzeugungsprämissen geschuldet, die durch einen schwarzen Kulturnationalismus einen Weg in die Freiheit versprachen. Doch zunächst erst einmal der Text in Barakas Lesung, die er später für das Album Its Time, begleitet von Sonny Black Art Murray am Schlagzeug, Albert Ayler am Tenorsaxophon, Don Cherry an der Trompete, Henry Grimes und Louis Worrell am Bass, aufnahm. Im Kommentar zum hochgeladenen Video heißt es: “The demand that poems ought wrestle cops into alleys, fly planes, shoot guns, remake the world, are bullshit unless they are lemons piled on a step“.
Zurück zur Idee eines schwarzen Kulturnationalismus als Ausweg aus der Situation. Hier ein paar Zeilen aus “It’s Nation Time”, das die Programmatik widerspiegelt:
come out niggers niggers niggers niggers come out
help us stop the devil
help us build a new world
niggers come out, brothers are we
[…]
come out niggers come out
It’s nation time eye ime
It’s nation ti eye ime
It’s nation ti eye ime
It’s nation ti eye ime
chant with bells and drum
it’s nation time
Wie schon angedeutet: In den Sixties schien das Konzept des Black Cultural Nationalism für junge African-American AutorInnen, die der Black Power-Bewegung nahestanden, die ultima ratio zu sein, die Ideologie schlechthin für eine fortschrittliche schwarze Befreiungsbewegung. Die Kernthese basierte auf einerBlack-contra-White-Rhetorik, die von dem Gedanken ausging, dass die Spaltung von Gesellschaften, die eine kolonialistische Vergangenheit hatten, in denen „Schwarze“ involviert waren, zwischen „schwarz“ und „weiß“ verlief. Kultur wurde damals entsprechend definiert als eine Konflikt-Arena, in der „schwarze Unterdrückte“ und „weiße Unterdrücker“ aufeinanderprallten.
In den späten 1960er Jahren ging Baraka nach Newark zurück und konzentrierte sich auf die politische Organisationsarbeit vor Ort. Er war maßgeblich an der Wahl von Kenneth Allen Gibson zum ersten schwarzamerikanischen Bürgermeister von Newark (1966) beteiligt. Das FBI sollte ihn damals als “the person who will probably emerge as the leader of the pan-African movement in the United States” identifizieren. (Juan Gonzales in Democracy Now) Für Baraka schien es ein Schritt in die richtige, demokratische, Richtung. 1967 war Baraka eine Schlüsselfigur bei der Organisation der Newark Black Power Conference, die eine umfassende politische und wirtschaftliche Agenda zur Förderung von Black Americans auf kommunaler Ebene ausarbeitete. Er gründete u.a. auch den Kongress der African People (GAP), ein bundesweites Bündnis von Kräften der schwarzen Befreiungsbewegung. Ebenfalls gründete und leitete er die Organisation Committed for a Unified Newark (CFUN), die ein Programm für eine community-basierte wirtschaftliche Förderung von African-Americans entwickelte.
Mit seiner Option für einen demokratischen Weg distanzierte sich Baraka später von einigen seiner krassesten früheren Kommentare, so zu Dr. Martin Luther King, jr. und Homosexuellen. Er hatte für sich eine neue Perspektive entdeckt.
4. Die umfassendere Perspektive
Von 2002 bis 2003 war Baraka poet laureate [5] von New Jersey. Bereits im ersten Jahr erregte er den Unwillen von Teilen der Medien-Öffentlichkeit, als er in dieser Eigenschaft einen poetischen Text vortrug, der von den Ereignissen des 11. September 2001 handelte. Es ging darin um den – poetisch vorgetragenen – Versuch, sich die Ereignisse von 9/11 verständlich zu machen. Titel derArbeit: “Somebody Blew Up America.”
Im Mittelpunkt steht eine fiktive Figur (im Fachjargon: persona), die sich Gedanken darüber macht, wer die Leute denn hätten sein können, die das Ereignis zu verantworten hatten, nicht die Ausführenden, die standen eh fest, die waren ermittelt, sondern die Entscheidungsträger. Und diese literarische persona fragt sich, was denn die Motivationen dieser mutmaßlichen Entscheidungsträger hätten gewesen sein können, einen solche Tat zu veranlassen.
Die literarische Figur, die Baraka entwirft und die sich diese Fragen stellt, kommt informiert daher und auch reflektierend. Da könnte man schon – die literarische Konstruktion mißverkennend oder bewusst ignorierend – vorschnell auf den Gedanken kommen, dass es sich bei Barakas Entwurf um sein alter ego handeln könnte.
Die ursprüngliche Lesung des Textes fand im Rahmen des Dodge Poetry Festivals statt, eine Veranstaltung, die als “as the largest poetry event in North America, representing the most eminent poets from the late 20th and early 21st centuries” (Website) gilt. [6]
Strukturierendes Merkmal des langen Textes sind die wiederkehrenden Zeilen “who” und “why”. Wer ist verantwortlich und warum. Viele mögliche Kontexte werden durchgespielt bis es, kurz vor Schluss zu den Zeilen kommt, die zum “Stein des Anstoßes” werden sollten:
Who knew the World Trade Center was gonna get bombed
Who told 4000 Israeli workers at the Twin Towers to stay home that day
Why did Sharon stay away?
And again the question:
Who? Who? Who/
Antworten werden auch hier nichtgegeben. [7] Der Text erschien später in gedruckter Version bei einem Verlag in Jamaica. [8]
Der damalige Gouverneur von New Jersey, James E. McGreevey, und andere in seinem Lager forderten den Rücktritt Barakas von seinem Posten als “Hofdichter”. Baraka weigerte sich. Er nahm öffentlich auf den Vorwurf des Anti-Semitismus, der ihm unterstellt wurde, Stellung, nachzulesen in seinem Barakas Replik im Nachwort zur Veröffentlichung des Gedichtbandes mit dem gleichen Titel. Dort heißt es u.a., dies sei eine unehrliche und bewusst verzerrende Kritik, die auf beleidigende Weise sich einer angemessenenen Interpretation seines Gedicht entziehe.
Als die politisch Verantwortlichen entdeckten, dass die Regularien eine Amtsenthebung eines New Jersey poet laureate nicht vorsahen, wurde der Titel 2003 abgeschafft.
Die in der Erstfassung 2002 privat veröffentlichte Arbeit “Why We Americans” ist ein poetisch vorgetragener Spoke-Word-Text, der als Mischung aus Zorntirade und Manifest daherkommt. Den Rahmen bildet die Titelfrage, paraphrasiert „Wann sind wir (i.e. African Americans) Amerikaner? Im Schnelldurchgang entwirft der Text ein Tableau von den unzähligen Grausamkeiten, denen das schwarze Amerika während der jahrhundertelangen Unterdrückung ausgesetzt war. Zentral ist die Forderung nach Bildung und Erziehung, die andere benachteiligte Gruppen mit einschließt:
We want education for all of us and anyone else in the black belt hurt by slavery. For all the native peoples even them poor white people you show all the time as funny, all them abners and daisy maes, them Beverly Hill Billies who never got to no beverly hills. who never got to Harvard on they grandfathers wills. we want reparations for them, right on, for the Mexicans whose land you stole. For all of North Mexico you call Texas, Arizona, California, New Mexico, Colorado, all that, all that, all that, all that …
Der Sprecher appelliert an uramerikanische Werte wie self-determination, freedom, democracy, die er für alle reklamiert. Es bleibt aber nicht bei Zorn und Forderungen: Es werden Möglichkeiten benannt, die helfen, diese Werte umzusetzen:
We want a central stash, a central bank, with democratically elected trustees, and a board elected by us all, to map out, from the referendum we set up, what we want to spend it on. To build that Malcolm sense Self-Determination as Self-Reliance and Self Respect and Self Defense, the will of what the good Dr. Du Bois beat on – true self consciousness. Simply the psychology of Freedom.
Im Schlussteil nimmt der Sprecher die Ausgangsfrage wieder auf:
Then we can talk about bein American. Then we can listen – then we can listen without the undercurrent of desire to first set your ass on fire. We will only talk of voluntary unity, of autonomy, as vective arms of self-determination. If there is democracy in you that is where it will be shown. this is the only way we is Americans. […] And we is rather lovers and singers and dancers and poets and drummers and actors and runners and elegant heartbeats of the suns flame….but we is also to the end of our silence and sitdown. We is at the end of being under your ignorant smell your intentional hell. Either give us our lives or plan to forfeit your own.
Baraka trug den Text in Season 1 Episode 4 der Def Poetry Jam vor. Ein Transkript des Vortrag lässt sich via lybio.net einsehen.
Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch “Jungle Jimmy Flunks his Screen Test”. Der Titel spielt auf eine Comic-Serie aus den 30er Jahren an, in deren Mittelpunkt der Großwildjäger Jim Bradley steht, den es auf seinen Abenteuern in den tiefsten Urwald und andere exotische Schauplätze verschlägt. [9]
In „Jungle Jimmy Flunks his Screen Test“ hält die adressierte Person dem Screening Test nicht stand, fällt durch. Hintergrund sind die „ugly people“, jene, die mit ihren vermeintlichen Erfolgsgeschichten die – um die Thematik von „Why we Americans“ aufzunehmen, der self-determination als self-reliance und self-defence Schwarz-Amerikas im Wege stehen. Aber es genügt nicht, sie anzuprangern: Hinzukommen muss ein Selbstverständnis, das sich kritisch abgrenzt. [10]
Der Zorn des Sprechers gilt hier den Angepassten, Nacheifernden, denen, die durch unkritisches Verhalten unbewusst gegen das Wohl der eigenen community stellen. Sie sind ebenso „hässlich“, die hässlichen Politiker, hässlicher sogar:
You uglier than white people. You is uglier than the police. War is yr makeup.
Prison yr altar.
Assassination yr Conversation.
You think stealing make you better looking, Lying
gives you an orgasm.
Only pain make you smile.
But you so ugly
No smile would stay near your face. You drink people’s tears and paint
yr face
With their blood.
You so ugly when you sleep your dreams torture people.
Die Auflösung:
You claim not to be dead You claim the reason you look the way you do
Is not yr fault. “Nature made me like this,” You say.
Naturally everything denies it
5. Was wir mit Blick auf Amiri Baraka und Lyrik generell nicht vergessen sollten
W. H. Auden sagte einmal: “Poetry makes nothing happen.” Ist diese Aussage wirklich zutreffend? Sollte Lyrik tatsächlich nichts bewirken können?
Baraka hat zeitlebens für einem konfrontativen Stil optiert, für seine Lyrik, seine dramatischen Arbeiten, seine Essays, und auch im Zusammenhang mit seinen öffentlichen Auftritten. Mit seiner kompromisslosen Haltung hat er das Bewusstsein die Mehrheitsgesellschaft, nicht nur in den Staaten, für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten sensibilisiert, dies primär über seine Lyrik, über seine Kunst, seine Performance. Dass er damit häufig ins Rampenlicht politischer Kontroversen geriet (oder katapultiert wurde), ließ sich nicht vermeiden: Es hat langfristig der Anerkennung seiner künstlerischen Leistungen nicht geschadet. Zu seinen Auszeichnungen zählen u.a. Stipendien von der Guggenheim Foundation und der National Endowment for the Arts, ein PEN/Faulkner-Preis, ein Rockefeller Foundation Award für Drama, und der Langston Hughes Award des City Colleges von New York. Aber mehr noch, er hat viele, die ihn zur Kenntnis genommen haben, nach Eigenaussage „elektrifiziert“, hat sie angetrieben, ihre Sichtweise auf Dinge zu reflektieren und zu verändern und zu schreiben.
. [11] Vom öffentlichen-rechtlichen Sender NPB 2007 befragt, wie Baraka sich selbst definieren würde, sagte er: “Well, I guess as a poet and a political activist most consistently. I’ve written in all genres. … But, you know, I guess throughout all of that, the poetry is at the base of it.”
In seiner Einleitung zu Somebody Blew… beschreibt Kwame Dawes den Lyriker Baraka als einen “öffentlichen“ (public) Dichter mit einer Agenda, als einen “Agitator” im positiven Wortverständnis, als einen, der etwas bewegt. Er bezieht sich dabei auf den afrikanischen Begriff des “Griot”, der traditionell ein “Krieger/Priester/Politiker/Dichter“ war, fügt aber hinzu, dass ein Griot in der Regel keine radikalen Positionen vertritt, sondern in der Tradition verhaftet ist. Es sei von jeher die Funktion eines Griot gewesen, Geschichten innerhalb eines “Stammes“ (tribe) kundzutun, dazu gehörte bisweilen auch, den Führern eines tribe Tribut zu zollen, aber auch auf Hochzeiten, Beerdigungen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen präsent zu sein. Der traditionelle Griot sei Priester, Musiker und Sprecher seiner Gemeinde in einer Person. Seine Palette war nicht immer politisch: Sie war so vielfältig wie die Belange der Gesellschaft, der er sich verpflichtet fühlte.
Toni Morrison sagte : “We die. That may be the meaning of life. But we do language. That may be the measure of our lives.”
Anmerkungen
[1] ↑Hier die Adressen der beiden Democracy Now-Sendungen:
“Amiri Baraka (1934-2014): Poet-Playwright-Activist Who Shaped Revolutionary Politics, Black Culture” und Remembering Amiri Baraka Part 2 Featuring Sonia Sanchez, Felipe Luciano, Larry Hamm, Komozi Woodard.
[2]↑ Newark/New Jersey unterschied sich zu Lebzeiten von Amiri Barakas von anderen Städten US-Amerikas durch die Bevölkerungsanteile. Laut Statistik aus dem Jahr 2000 waren ca. 27% “weiß” und 53% African Americans.
[3]↑ Unter den berühmten AbsolventInnen der Howard University ist, u.a., Toni Morrison, die 1993 den Literaturnobelpreis erhielt. HU zu Amiri Baraka: “Howard University is proud to call Baraka a member of the world of African- American literature and culture. Commenting on issues that are deeply painful to the African-American community, Baraka addresses the topic of race relations in a sharp and unforgiving manner.”
[4]↑ Ingrid Kerkhoff. Poetiken und lyrischer Diskurs im Kontext gesellschaftlicher Dynamik: USA: >>The Sixties<<. Frankfurt: Peter Lang, 1989.
[5]↑ Der Titel des poet laureate von New Jersey wurde ab 1999 alle zwei Jahre vom Gouverneur des US-Bundeslandes einem herausragenden Autor New Jerseys verliehen. Bis zu seiner Abschaffung in 2003 wurden nur zwei Autoren geehrt: Gerald Stern und Amiri Baraka.
[6]↑ Hier der Link zu einer späteren Lesung des Textes. (http://shahabsadati.blogfa.com/post-25.aspx
[7]↑ Cudjoe, Selwyn R. “One Way of Reading ‘Somebody Blew Up America’”. Trinicenter November 26, 2002. In seinem Artikel kontextualisiert Selwyn Cudjoe Barakas Gedicht und argumentiert zugunsten seines literarischen Formats anstatt es als rein soziologisches Dokument zu betrachten.
[8]↑ Amiri Baraka. Somebody Blew Up America and Other Poems (House of Nehesi, 2003). Das hier verlinkte Video des Titelgedichtes mit Rob Brown, Saxophon, wurde am 21. Februar 2009 auf einer Veranstaltung des Sanctuary for Independent Media in Troy, NY aufgenommen.
[9]↑ Jungle Jim startete am 7. Januar 1934 in den vom VerlagKing Features belieferten amerikanischen Sonntagszeitungen auf einer Seite mit dem gleichzeitig anlaufenden Science-Fiction-Comic Flash Gordon.
[10]↑ Amiri Baraka “Jungle Jim Flunks His Screen Test”. The Blacklisted Journalist, Column 108 (Aug. 1, 2004) “Jungle Jim Flunks His Screen Test” als Video ist eine Co-Produktion der NY Media Alliance und dem Arts Department at Rensselaer. Es kam zustande mit Unterstützung des NYS Council on the Arts und dem NYS Music Fund.
[11]↑ Rabbi Jeffrey K. Salkin. “Bigotry Is Not Poetry”. The Jewish Journal January 21, 2014